August_im Wochen Blatt

„Ich bedanke mich für die Einladung an die 1-August-Feier hier in Rodersdorf. Bis und mit heute waren es immer gefreute Gelegenheiten, die mich nach Rodersdorf geführt haben. Das erste Mal bereits wenige Wochen nach meinem Amtsantritt als Bildungsdirektor. Ich durfte im September 2013 dabei sein, als die neue Turn- bzw. Mehrzweckhalle Grossbühl eingeweiht wurde. Und dann hatte ich einmal noch ein sehr angenehmes Treffen mit dem Gemeinderat von Rodersdorf. Es ging dabei um eine verlorene Wette. Aber obwohl es um die Einlösung einer Wettschuld ging, verlief der Abend in Minne und in angenehmer Atmosphäre – die Wettschulden wurden schliesslich ja auch in Form von Wein bezahlt. Ja, und heute nun darf ich an unserem Nationalfeiertag bei Ihnen ein paar Worte sprechen.

„Keine dicke Luft am 1. August“, so kann man aktuell auf der Homepage des Kantons Solothurn lesen. Das Amt für Umwelt weist unter diesem Titel darauf hin, dass beim Abbrennen von 1.August-Feuern und Feuerwerkskörpern gewisse Rücksichtnahmen und auch Vorsicht angezeigt seien.

„Keine dicke Luft am 1. August“. Ja, auch im übertragenen Sinne stimmt üblicherweise die Aussage. Denn immerhin fällt der Nationalfeiertag mitten in die Sommerzeit. Und bekanntlich ist Sommerzeit Ferienzeit.

Ferienzeit: Da haben die Grillwürste Hochsaison. Wie heisst es doch im TV-Spot eines Schweizer Grossverteilers: „Jetzt chame grilliere – tsch, tsch.“ Die Zeitungen werden dünner und das Sommerloch bedroht die Medienschaffenden. Und schliesslich werden die Staus vor dem Gotthard länger, entweder noch auf der Hinreise oder bereits auf der Rückreise aus den Ferien. Ja, die Wochen im Hochsommer sind eine Zeit der Entspannung und Entschleunigung – Entschleunigung ist manchmal mehr, manchmal, so wie am Gotthard, weniger freiwillig.

Zumindest ist das in einem normalen Sommer der Fall. Nicht aber in diesem Sommer. Schreckliche Nachrichten von Terroranschlägen und Amokläufen halten uns in Atem. Nizza, Würzburg, München, Ansbach, Rouen: Bei jedem neuen Ereignis denkt man: „Nicht schon wieder!“ Dazu kommt der versuchte Putsch in der Türkei. In diesem Sommer 2016 hat mich zeitweise das ungute Gefühl beschlichen, die Welt gerate aus den Fugen.

Wenn die Welt um uns, die Welt, die wir kennen und die wir mal mehr, mal weniger lieben, aus den Fugen gerät, dann werden wir unsicher. Drohende Gefahren machen uns unsicher. Und Unsicherheit ist nicht nur Gift für die Finanzmärkte und die Wirtschaft, wie man immer wieder lesen kann, sondern Unsicherheit bedroht unser aller Vertrauen.

Unsicherheit bedroht das Vertrauen in uns selbst, in unsere Institutionen und in unsere multikulturelle Gesellschaft. Dabei sind wir auf dieses Vertrauen angewiesen. Denn Vertrauen meint Selbstvertrauen und Zuversicht in die Zukunft – und ohne Selbstvertrauen und Zuversicht wird es schwierig, das wird mir wohl jeder Psychologe bestätigen.

Angesichts der jüngsten Ereignisse, der menschenverachtenden, ruchlosen, man könnte auch verbrecherisch sagen, Anschläge ist es umso wichtiger, dass die westlichen Staaten und Gesellschaften nicht die Nerven verlieren, nicht in Panik verfallen. Auf keinen Fall darf das Gefühl der Angst unseren Alltag und unser Leben beherrschen.

Wut und Zorn können blind machen, und wenn das passiert, haben wir tatsächlich verloren und die Terroristen ihr Ziel erreicht. Die Behörden, die unsere Sicherheit zu verantworten haben, müssen wachsam bleiben. Denn wenn wir unsere Freiheit bewahren wollen, müssen wir dem Extremismus und denen, die ihn vertreten und verkünden, entschlossen und konsequent entgegentreten.

Wut und Zorn machen aber auch wach! Diese Wachheit gilt es zu bewahren. Sie überwindet Selbstzufriedenheit und Passivität. Unsere Demokratie ist eine wehrhafte Demokratie und das ist nicht einfach militärisch gemeint; die Wehrbereitschaft beginnt im Kopf und bedeutet einstehen für unsere grundlegenden Werte wie persönliche Freiheit, wirtschaftliche Freiheit, gleiche Rechte für Mann und Frau, aber auch Solidarität mit den Schwachen unserer Gesellschaft. Um diese Werte zu verteidigen, müssen wir auch kaltblütig handeln, dürfen also nicht die Nerven verlieren. Dies ist deshalb ein Appell an die Wachsamkeit, die Nervenstärke und Besonnenheit. Und es ist mir völlig klar, dass er leichter ausgesprochen als danach gehandelt ist. Dennoch bleibt er richtig.

Das Bemühen, den Extremismus und das Gefühl der Unsicherheit abzuwehren, gehört zu den Aufgaben der Behörden wie der Polizei und anderer Sicherheitsdienste. Aber die Behörden können immer nur einen Teil der Aufgabe erledigen. Ein anderer Teil, ein ebenso wichtiger Teil liegt bei und in uns Bürgerinnen und Bürger selbst.

Unsicherheit und Vertrauensverlust entstehen, wenn wir uns nicht mehr geborgen fühlen. Geborgen fühlt man sich in der Heimat. Da wo man vertraut ist, vertraut mit den Menschen, den Traditionen und Gebräuchen. Heimat ist vielschichtig. Sie ist einerseits und in erster Linie da, wo unsere Nächsten sind, unsere Familien und unsere Freunde. Heimat ist aber auch ganz generell da, wo man lebt und man sich wohlfühlt. Die Gemeinde, der Kanton und die Eidgenossenschaft – sie sind unsere Heimat, wenn wir sie ein wenig weiter fassen als Familie und Freunde.

Zu dieser Heimat gilt es Sorge zu tragen. Das gilt sowohl für die Familie und die Freundschaftsbeziehungen, als aber auch für das Dorf und das Land. Heimat ergibt sich nicht von alleine.

Wir brauchen Heimat, aber unsere Heimat braucht auch uns, damit sie ihre wohltuende Wirkung entfalten kann. Es braucht staatsbürgerliches Engagement für die Heimat als Hort der Demokratie und des Rechtsstaats. Es braucht gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt in der Heimat, einem Land, in dem Menschen mit verschiedener Herkunft und Alter, mit unterschiedlichsten Interessen und Voraussetzungen leben. Und ja, es braucht auch Liebe zur Heimat, denn der Mensch hat neben dem kühlen Verstand auch noch ein Bauchgefühl.

Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, wir machen die Heimat für die jeweils anderen aus, sei es als Familienmitglieder, als Freunde, als Nachbarn, als Vereinsangehörige und als Einwohnerinnen und Einwohner von Rodersdorf, des Kantons Solothurn und der Schweiz. Als stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger können wir noch weitergehende Funktionen und Aufgaben in und für die Heimat übernehmen. Zögern wir nicht, dies auch immer wieder zu tun!

Wir alle brauchen Heimat und die Heimat braucht uns. Wenn wir uns gegenseitig Heimat schenken, dann wird es uns am Gefühl der Sicherheit nicht fehlen. Dann werden wir das Vertrauen in uns selbst und die Zukunft nicht verlieren. Das ist eine gute Nachricht in diesem Sommer.

Danke für die Aufmerksamkeit!“