Oltner Tagblatt

«Der Regierungsrat wird beauftragt, eine entsprechende gesetzliche Grundlage zu schaffen, um das Tragen eines Kopftuches an Solothurner Schulen zu verbieten.» Dies der Auftragstext, mit dem sich der Solothurner Kantonsrat gestern zu befassen hatte. Der Regierungsrat hatte Nichterheblicherklärung des von der SVP-Fraktion Ende August letzten Jahres eingereichten Auftrags beantragt.


Ein Kopftuchverbot für Schülerinnen, hatte die Kantonsregierung in ihrer Stellungnahme argumentiert, stelle juristisch einen schweren Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit dar. Ein solcher Eingriff bedürfe eines Gesetzes im formellen Sinne. Die Schaffung eines solchen hielt der Regierungsrat nicht für angezeigt, zumal bisher im Kanton auf keiner Schulstufe Anfragen oder Beschwerden im Zusammenhang mit Kopftuchträgerinnen eingegangen seien. Weiter stellte die Kantonsregierung fest, zum Schutzbereich des Grundrechts gehöre auch das Recht auf Äusserung und Betätigung der religiösen Überzeugung. Das Tragen von religiösen Symbolen wie Kreuz, Kopftuch oder Kippa im Unterricht sei deshalb erlaubt, wenn dadurch der Unterricht und die Bewegungsfreiheit nicht behindert würden und wenn die entsprechenden Symbole keine Gefahrenquelle darstellten.
«Kein Handlungsbedarf»
Der Sprecher der Bildungs- und Kulturkommission (Bikuko), Urs von Lerber (SP, Luterbach), folgte weitgehend der Argumentation der Regierung. Die bisherige Praxis habe sich bewährt, sodass die Kommission keinen Handlungsbedarf erkennen könne. Also gebe es auch keine Veranlassung, ein Gesetz zu machen. Von Lerber stellte klar, dass es zum Verbieten des Tragens eines Kopftuchs – anders etwa als im Fall einer Baseballmütze – zwingend ein Gesetz braucht, weil das Kopftuch der Musliminnen eine religiöse Haltung zum Ausdruck bringe.
Ein öffentliches Interesse an einem solchen «Gesetz auf Vorrat» bestehe nicht, erklärte Fränzi Roth (SP, Solothurn). Eine Beschränkung der Religionsfreiheit sei unverhältnismässig. Das Problem bestehe einzig in den Köpfen gewisser Politiker. «Unsere Schule», so die SP-Sprecherin, «haben diese Fragen im Griff. Sie sind auf unterschiedliche Lebens- und Religionsformen vorbereitet und reagieren kompetent.»
Die Freisinnigen seien einstimmig gegen eine Symbolgesetzgebung, erklärte Karin Büttler (FDP, Laupersdorf). Jeder Mensch habe ein Recht auf persönliche Freiheit, konstatierte die FDP-Sprecherin unter Verweis auf Art. 10 BV. Dieses Recht gelte auch in Bezug auf die Kleidung.
Auch die CVP/EVP/GLP/BDP-Fraktion sei einstimmig gegen Überweisung des SVP-Auftrags, teilte Marie-Theres Widmer (CVP, Steinhof) mit. Das Kopftuch sei kein Thema im Kanton Solothurn. Mit diesem Vorstoss würden nur Probleme generiert, die es gar nicht gebe.
Die Grünen, erklärte Felix Wettstein (Olten), seien gegen jede Form des Kleiderzwangs – insbesondere, wenn sich dieser einzig auf die Mädchen beziehe. Den Auftrag bezeichnete Wettstein als scheinheilig. Der SVP gehe es gar nicht darum, Mädchen aus muslimischen Familien zu schützen, sondern bloss darum, Misstrauen gegen die Religion der Muslime zu schüren. Einzelsprecherin Susan von Sury (CVP, Solothurn) warnte: Je mehr Aufhebens gemacht werde, desto mehr werde das Kopftuch getragen. Ihr Ratschlag deshalb: das Thema «einfach in Ruhe lassen».

Die CVP im Visier des SVP-Sprechers
Der Kantonsrat vergebe sich nichts, wenn er jetzt den von der SVP-Fraktion verlangten Schritt mache, sagte Roberto Conti (SVP, Solothurn). Im Aargau, wo der Grosse Rat ein Kopftuchverbot mit 68:59 Stimmen abgelehnt habe, sei der Vorstoss von der CVP eingereicht worden, hielt der SVP-Sprecher den Solothurner Schwarzen unter die Nase. Und im Wallis lanciere die CVP nun eine Volksinitiative, nachdem sich das Kantonsparlament gegen ein Kopftuchverbot ausgesprochen habe.
Verfassungsrechtlich zulässig?
Bildungs- und Kulturdirektor Remo Ankli betonte noch einmal, das Kopftuch der Musliminnen sei ein Schutzobjekt der Religionsfreiheit. Diese wiederum sei unantastbar. Da ein religiöser Bezug gegeben sei, könnten die Schulen nicht von sich aus ein Verbot erlassen. Dafür brauche es ein Gesetz. Ob ein solches verfassungsrechtlich zulässig wäre, sei im Übrigen fraglich, habe sich doch das Bundesgericht hierzu materiell noch nicht geäussert. Mit dem Begehren der SVP-Fraktion, so Ankli weiter, würde das liberale Prinzip der Religionsfreiheit auf den Kopf gestellt: «Nicht mehr der Staat und die Schulen wären verpflichtet, sich religiös neutral zu verhalten, sondern die Schülerinnen und Schüler.» Das Kopftuch sei im Kanton kein Problem, und der Regierungsrat lehne eine Gesetzgebung auf Vorrat ab.
SVP allein auf weiter Flur
Mit 73:18 Stimmen und einer Enthaltung (Ratspräsident Peter Brotschi) folgte das Parlament dem Antrag der Regierung und lehnte es ab, den Auftrag erheblich zu erklären. Die Ja-Stimmen kamen ausschliesslich aus den Reihen der SVP.